Institution
Jugendstätte Bellevue
Überblick
Zielgruppe
Die Jugendstätte Bellevue nimmt normalbegabte Mädchen und junge Frauen im Alter von 13-18 Jahren auf. Ein Verbleib ist gemäss ZGB bis zum Alter von höchstens 22 Jahren und gemäss JStG bis höchstens 25 Jahren möglich. Die Mädchen und jungen Frauen haben eine soziale, pädagogische und/oder psychologische Indikation, die mit Vorteil in einem genderspezifischen Kontext betreut wird. Die Indikationen zeigen sich daran, dass
das geistige, seelische und/oder körperliche Wohl der Mädchen und jungen Frauen in ihrem angestammten Umfeld gefährdet oder nicht mehr gewährleistet ist (z.B. Gewaltproblematik);
die Mädchen oder jungen Frauen Gefahr laufen, das geistige, seelische und/oder körperliche Wohl von sich selber oder anderer zu gefährden (z.B. schwerwiegend grenzverletzendes Verhalten, Suchtproblematik, Suizidalität);
die Entwicklung der Mädchen und jungen Frauen in ihrem angestammten Umfeld nicht adäquat gefördert wird (Verwahrlosung, Entwicklungsrückstände, fehlende Tagesstruktur);
die juristische, pädagogische, psychologische und/oder psychiatrische Abklärung ergibt, dass eine stationäre Massnahme in einem sozialpädagogischen genderspezifischen Setting für weibliche Jugendliche indiziert ist;
Jugendliche, welche die Schule im angestammten Umfeld verweigern oder dieser fernbleiben müssen.
Ablehnungskriterien:
Nicht aufgenommen werden Mädchen und junge Frauen, welche eine schwerwiegende chronische Suchtproblematik aufweisen (legale und illegale Rauschmittel), eine erhebliche körperliche Behinderung haben oder schwanger sind. Die Jugendstätte Bellevue steht zudem nicht für Kriseninterventionen zur Verfügung.
Wohnformen
Geschlossen geführte Intensivgruppe:
Die Intensivgruppe bietet einen Sicheren Ort für Mädchen und junge Frauen, die sich durch Entweichung vor der pädagogischen Einflussnahme entziehen, die Teilnahme an Alltagsstrukturen verweigern, über wenig Frustrations- und Stresstoleranz sowie Konfliktfähigkeit verfügen oder vor einem schädigenden Milieu geschützt werden müssen
Der Gruppenalltag bietet in Kombination mit der Tagesstruktur sowohl Schutz wie auch Lernfeld. Die Bewohnerinnen sind im nach aussen geschlossenen Rahmen in ein ausschliesslich internes Wohn- und Bildungsangebot eingebunden. Dieses hat zum Ziel, ihre Sozial- und Selbstkompetenzen sowie Grundlagenfähigkeiten für die Schul- und Berufsbildung zu fördern. Das Vertrauen der Mädchen und jungen Frauen in sich selber und in das soziale Umfeld wird gestärkt. Gleichzeitig wird ihre Lernbereitschaft geweckt, indem ihnen Erfolgserlebnisse vermittelt und sie behutsam wieder an die Schule herangeführt werden.
Auf der Intensivwohngruppe leben sechs Bewohnerinnen, denen je eine Bezugsperson zur Seite gestellt wird. Die doppelt- und dreifach besetzten Präsenzzeiten des pädagogischen Personals sind höher, als dies in den offenen Wohngruppen der Fall ist. Die Hausordnung sieht die deutliche Einschränkung von Handlungsfreiheiten und Kontaktmöglichkeiten[1] vor, die im Verlauf des Aufenthaltes stufenweise reduziert wird. Dieser stark strukturierte und personell eng besetzte Rahmen ermöglicht es den Mädchen und jungen Frauen, sich mit der Unterstützung der Sozialpädagogen/-innen auf die Selbstwahrnehmung, das Selbstverstehen und die Selbstregulation zu konzentrieren und ihre Widerstandsfähigkeit auszubauen. Dieser Rahmen bietet wenig gegenseitige Ausweichmöglichkeiten. Die Sozialpädagogen/-innen sind deswegen besonders sensibilisiert auf gruppendynamische Prozesse, die Vorzeichen von Krisen oder Konflikten und verstehen sich auf Interventionen zur De-Eskalation im Gruppengefüge. Sie achten besonders darauf, dass die Bewohnerinnen ihre Rückzugsmöglichkeiten wahrnehmen und gegenseitig respektieren, wie auch dass diese von den Sozialpädagogen/-innen in angemessener Weise respektiert werden. Krisen und Konflikte werden als Entwicklungs- und Lernchancen genutzt.
Die Aufenthaltsdauer ist individuell unterschiedlich und liegt erfahrungsgemäss zwischen sieben Wochen und acht Monaten.
Offene Wohngruppen:
Auf den beiden offenen Wohngruppen der Jugendstätte Bellevue sind die Anforderungen an die Selbststeuerung, Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Mädchen und jungen Frauen deutlich höher als auf der Intensivwohngruppe. Die Betreuungsintensität ist geringer und die strukturelle Stütze der "nach aussen geschlossenen Tür" fehlt. Eine Betreuungsperson ist für die Bezugspersonenarbeit von zwei der acht Bewohnerinnen zuständig. Die Hausordnung sieht grössere Freiheiten für die Bewohnerinnen vor. Die Betreuungssettings sind stark individualisiert. Dieses Wohngruppenangebot bietet Mädchen und jungen Frauen in erster Linie ein "Sicheres Lernfeld", in welchem sie ihr soziales, emotionales, schulisches und berufliches Potential mit pädagogischer Unterstützung zur Entfaltung bringen können.
Der pädagogische Fokus liegt auf der Förderung der Eigenständigkeit. Soweit als möglich werden die Reintegration in die öffentliche Schule sowie ein Berufsbildungsabschluss angestrebt. Dafür stehen u.a. nachobligatorische Bildungsangebote im internen Schul- und Werkstattbereich Förderangebote bereit (vgl. Kapitel 4.6). Weitere Zielsetzungen des Aufenthaltes sind die Aufarbeitung von Entwicklungsblockaden, die Weiterentwicklung der Selbst- und Sozialkompetenzen, der Erwerb einer selbständigen Lebensführung oder die Re-Integration in das Herkunftssystem. Die Aufenthaltsdauer ist individuell unterschiedlich und liegt erfahrungsgemäss zwischen ein bis zwei Jahren.
Tagesstruktur
Angebot formale Bildung:
Nebst der vielfältigen und intensiven informellen Bildung, die auf den Wohngruppen geleistet wird, hat die Förderung der formalen Bildung in der Jugendstätte Bellevue eine hohe Bedeutung. Wir führen:
eine interne Tagesstruktur mit insgesamt 22 Unterrichts- und Werkstattplätzen, davon 6 Plätze im geschlossenen und 16 Plätze im offenen Bereich, für die obligatorische Schulbildung sowie für Angebote am Übergang in die nachobligatorische Bildung und
2 Ausbildungsplätze für die berufliche Grundbildung.
Schulbildung:
Sowohl im geschlossen wie auch im offen geführten Bereich werden die Mädchen und jungen Frauen schulisch und im Hinblick auf ihre berufspraktischen Kompetenzen abgeklärt. Für schulpflichtige Jugendliche erfolgt der Unterricht im Rahmen des kantonalen Lehrplans. Der Unterricht findet von Montag bis Freitag von 8-12 Uhr und von 13.30 bis 17 Uhr statt.
Die Angebote zielen darauf ab, die Mädchen und jungen Frauen stufenweise wieder an einen geordneten aktiven Tagesablauf und an den Unterricht heranzuführen, ihnen einen obligatorischen Schulabschluss zu ermöglichen und/oder sie auf eine berufliche Grundbildung vorzubereiten. Sofern angezeigt werden Jugendliche im Rahmen des internen Schulunterrichts auch gezielt auf die Wiedereingliederung in die öffentliche Schule gefördert.
Berufsvorbereitung:
Die Berufsvorbereitung wird an die individuellen Voraussetzungen und Neigungen der Schulabgängerinnen angepasst. Jugendliche, die nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit nicht eine Ausbildung antreten, ein externes Berufsvorbereitungsjahr oder Brückenangebot in Anspruch nehmen, können so in einem für sie förderlichen Theorie-Praxis-Verhältnis auf eine Ausbildung vorbereitet werden.
Ergänzend dazu erhalten die Jugendlichen von den Sozialpädagogen/-innen, respektive auf den Wohngruppen, Unterstützung im Berufswahlprozess.
Schliesslich trägt die Produktion von ästhetisch ansprechenden Produkten, die anschliessend ausgestellt und verkauft werden, zu sichtbaren Erfolgen und zur Teilhabe bei.
Berufliche Grundbildung:
Für zwei Jugendliche besteht die Möglichkeit, ein internes Praktikum oder einen internen Berufsbildungsabschluss in den Bereichen Schreinerei oder Hauswirtschaft zu absolvieren. Externe Arbeitseinsätze und berufliche Grundbildungen in einer externen Firma werden eng begleitet. Die Sozialpädagogen/-innen stehen dafür in engem Kontakt mit den Ausbildungsverantwortlichen
Die Institution ist vom Bundesamt für Justiz als Erziehungseinrichtung anerkannt.